Mit dem Einzug des Internets der Dinge, Daten und Dienste in die Produktion bricht ein viertes industrielles Zeitalter an. Um die nötigen technologischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Vorraussetzungen für die deutsche Wirtschaft zu schaffen hat die Forschungsunion Wirtschaft – Wissenschaft des BMBF den Arbeitskreis Industrie 4.0 initiiert und die Verbände BITKOM, VDMA und ZVEI haben die zugehörige Plattform Industrie 4.0 ins Leben gerufen. Das Leitthema der Industrie 4.0 ist die intelligente und vernetzte Fabrik. 
 

In Deutschland befassen sich laut dem Arbeitskreis 4.0 (Befragung der Verbände BITKOM, ZVEI und VDMA) bereits 131 von 278 befragten Unternehmen mit der Industrie 4.0, so betreibt zum Beispiel die Wittenstein AG in Fellbach bereits eine Demonstrationsfabrik, in die nach und nach die Konzepte der Industrie 4.0 integriert werden. Die Energieeinsparung beträgt dort 35% pro Quadratmeter. Alle Maschinen und die Gebäudetechnik arbeiten so ressourcenschonend wie möglich. Auch Siemens hat sich auf die Industrie 4.0 eingestellt und arbeitet an der Verbindung von realer und virtueller Fertigungswelt mit integrierten Lösungen für die Industrie, Industriesoftware und Lösungen für Ressourceneffizienz. Zudem arbeiten am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) 29 Firmen, Unternehmen und Institute aus Wirtschaft und Forschung am Projekt Smart FactoryKL.

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Prof. Dr.-Ing. Reiner Anderl ist Professor für Datenverarbeitung in der Konstruktion (DiK) im Fachbereich Maschinenbau der TU Darmstadt und Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech). Darüber hinaus ist er Sprecher des Wissenschaftlichen Beirates der Plattform Industrie 4.0. Er ist auch Adjunct Professor an der Virginia Tech University, USA, und leitet an der TU Darmstadt den internationalen PACE Verbund (Partners for the Advancement of Collaborative Engineering Education).

In welchem Ausmaß beeinflusst die intelligente Fabrik die deutsche Wirtschaft und den Arbeitsmarkt?

Nicht umsonst sprechen wir von der vierten industriellen Revolution: Industrie 4.0 bedeutet, dass Unternehmen ihre Maschinen und Betriebsmittel und auch ihre Lagersysteme dezentralisieren, vernetzen  und  zu neuen Wertschöpfungsnetzwerken verbinden. Intelligente Produkte und intelligente Maschinen kennen künftig ihre Historie und alternative Wege zum Zielzustand. Sie können miteinander kommunizieren und den Produktionsprozess aktiv steuern. Die Wertschöpfung wird dadurch autonomer und kann flexibler auf Störungen reagieren. Ceci pourrez vous intéresser : Du calme ! Soulager l’hyperactivité. Droht beispielsweise ein Lieferengpass, stellt sich das Netzwerk darauf ein und gleicht dies intelligent aus. Produktionsprozesse werden dadurch zuverlässiger und können in Echtzeit optimiert werden. Mit seinem starken industriellen Kern und dem Know-How bei Eingebetteten Systemen, einer exzellenten Automatisierungstechnik und einer weltweit führenden Produktionstechnik ist Deutschland bei  Industrie 4.0 im internationalen Wettbewerb hervorragend aufgestellt.

Mit der zunehmenden Vernetzung werden insbesondere auch neue Geschäftsmodelle entstehen. Die Daten, die durch die Integration von physischer und virtueller Welt entstehen, können ausgewertet, analysiert und zur Optimierung genutzt werden. Sie sind die Grundlage innovativer, internetbasierter Dienstleistungen. Das Ziel muss sein, Leitanbieter bei Industrie 4.0 und Smart Services zu werden und die Chancen zur Stärkung der  Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstums zu nutzen.

Auch der Arbeitsmarkt wird profitieren, denn die intelligente Fabrik ist keineswegs menschenleer. Sie schafft Chancen für neue Modelle der Arbeitsorganisation. Sie stellt aber auch neue Anforderungen an die Arbeitnehmer. Ihre Aufgaben werden verantwortungsvoller und liegen in Zukunft zusätzlich im planerischen und koordinierenden Bereich. Deshalb brauchen wir mehr denn je qualifizierte Arbeitskräfte. Das duale Ausbildungssystem verschafft Deutschland dabei klare Vorteile. Wir müssen deshalb unbedingt die Belegschaften mitnehmen, zum Beispiel durch Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogramme.

 

Wie verändert das Konzept der Industrie 4.0. die Beziehung zwischen Mensch und Maschine?

Die Beziehung wird sich verbessern. Menschen, Maschinen und Bauteile kommunizieren wie in einem sozialen Netzwerk. Die Maschinen werden vor allem transparenter. Sie können die Menschen jederzeit und verständlich über ihren aktuellen Zustand oder die nächsten Produktionsschritte informieren. Sie teilen mit, wenn sich ihr Zustand verändert. Wir können die Maschinen dann schon präventiv einschätzen und auch präventiv warten. Maschinen und Bauteile  sind Informationsträger, berichten über ihren aktuellen Zustand und die nächsten Produktionsschritte. Intelligente Assistenzsysteme werden die Mitarbeiter entlasten und beispielsweise bei der Wartung komplexer Produktionsprozesse unterstützen. Das hilft uns auch den demografischen Wandel besser zu bewältigen, erfahrene Mitarbeiter angemessener einzubinden und das Wissen in den Betrieben transparenter darzustellen und effizienter zu nutzen.

 

Denken Sie, dass eines Tages alle Fabriken intelligent und komplett autonom arbeiten werden und wenn ja, bis wann?

Wir werden nicht sagen können: „Jetzt haben wir Industrie 4.0 erreicht“. Industrie 4.0 ist ein evolutionärer Prozess, der aber revolutionäre Auswirkungen haben wird. Einige Elemente der vierten industriellen Revolution finden wir ja schon heute in bestimmten Branchen, wie der Logistik, oder in der Automobilindustrie. Ceci pourrez vous intéresser : Nos quotidiens connectés. Fabriken werden immer intelligenter und dort, wo Autonomie wirtschaftlich ist, werden sie auch autonomer. Komplette Autonomie ordne ich aber eher dem Bereich der Science Fiction zu. Wichtiger sind beherrschbare und zuverlässige autonome Teilsysteme, in denen Menschen auch weiterhin die wichtigen Entscheidungen treffen. 

Bildquelle: Abschlussbericht Industrie 4.0 (April 2013)